Hahnemann Memorial – Washington, DC – Fotografin: Susanne Schell

Eine kleine Einführung in das Symptomenlexikon

Das Symptomenlexikon geht auf eine Idee Hahnemanns zurück. Dieser hatte bereits mit einem von ihm selbst handschriftlich angefertigten Prototypen gearbeitet, der aber nicht veröffentlicht werden konnte, da er noch unvollständig war. Deshalb beauftragte er seinen Schüler und Kollegen G.H.G. Jahr damit, dieses Lexikon vollständig auszuarbeiten. Im Laufe seiner Arbeit an diesem Werk erkannte Jahr jedoch, dass ein derartiges Projekt mit den damaligen technischen Möglichkeiten nicht zu schaffen war. Im 19. und 20. Jahrhundert in Vergessenheit geraten, griff der deutsche Heilpraktiker Uwe Plate die Idee des Symptomenlexikons 1984 wieder auf und veröffentlichte das Symptomenlexikon nach zwanzigjähriger Arbeit 2004 vorerst in Buchform. Inzwischen liegt es ausschließlich in digitaler Form vor.

Bei dem Symptomenlexikon handelt es sich um ein Werkzeug, mit dem man in einer bisher nicht gekannten Sicherheit sämtliche mögliche charakteristische Arzneiwirkungen der Materia Medica erforschen kann. Dazu müssen die Prüfungssymptome jedoch erst einmal in ihre Bestandteile zerlegt werden. Diese werden – in Erinnerung an ihre frühere Bezeichnung – Zeichen genannt.

Grundlage des Symptomenlexikons war die Erkenntnis Samuel Hahnemanns und Constantin Herings, die zwei erfahrensten Prüfungsleiter in der Geschichte der Homöopathie, dass sich homöopathische Arzneiwirkungen nicht in ganzen Prüfungssymptomen zeigen. Vielmehr hatten sie durch vergleichendes Beobachten herausgefunden, dass sich charakteristische Arzneiwirkungen stattdessen in erster Linie in der Häufung sogenannter Zeichenkombinationen äußerten. Was ist darunter zu verstehen?

Das vollständige Symptom eines Patienten, wie z.B. Magenstechen, das sich beim Gehen verschlimmert, besteht aus mindestens drei Zeichen, in diesem Falle aus:

Ort (hier: Magen)
Beschwerde (hier: stechende Schmerzen)
Modalität (hier: Gehen verschlimmert)

Soll ein Patienten mit diesem Symptom als Hauptbeschwerde geheilt werden, ist eine Arznei für ihn zu finden, die zuverlässig sehr ähnliche Arzneiwirkungen in der Prüfung erzeugt hatte. Wie lässt sich das Wirkprofil solch einer Arznei aber ermitteln?

Vom Nutzen der Zeichenkombinationen (ZK)

Die charakteristische Wirkung einer Arznei müsste sich – wenn sie unverwechselbar in dieser Arznei verankert ist – eigentlich in jedem Prüfer auf die gleiche Weise erzeugen lassen. Und so ist es auch. Aber anders, als man es sich früher dachte: Die zuverlässige Wirkung einer Arznei erzeugt nämlich keine ganzen Symptome! Würde ein Mittel vollständige Symptome erzeugen, dann würden sämtliche Prüfer unter den gleichen Symptomen leiden und die gleichen Symptome berichten, und in den Protokollen der Arzneimittelprüfungen wären folglich lauter gleich lautende Sätze zu lesen. So ist es jedoch nicht. Satzwiederholungen in diesem Sinne lassen sich nicht finden, wie ein Blick in die Materia Medica schnell deutlich macht.

Worin zeigt sich dann aber die charakteristische, also die unverwechselbare Wirkung eines homöopathischen Medikaments? Die Antwort lautet: in den Zeichenkombinationen!

Für das bereits erwähnte Beispielsymptom des Magenstechens, das sich beim Gehen verschlimmert, besteht aus den drei Zeichen: Stechen (Beschwerde), beim Gehen schlimmer (Modalität), im Magen (Ort). Daraus ergeben sich folgende drei ZK:

  1. Stechen im Magen (Beschwerde + Ort) – egal, unter welcher Modalität
  2. Stechen beim Gehen (Beschwerde + Modalität) – egal, an welchem Ort
  3. Magenbeschwerden beim Gehen (Ort + Modalität) – egal, mit welcher Schmerzart

Wenn man die Arzneiprüfungen daraufhin durchliest und prüft, ob diese ZK gehäuft auftraten, so teilt sich die Materia Medica rasch in eine kleine Anzahl von Arzneien auf der einen Seite, bei denen diese Häufung tatsächlich auftrat und einen Großteil von Mitteln auf der anderen Seite, bei denen dies nicht der Fall war, und die aus diesem Grunde nicht mehr als Simile in Frage kommen können. Eine Häufung des Auftretens ist deshalb nötig, weil nur dadurch die spezifische Arzneiwirkung erkennbar und belegt wird. Denn wenn sich die einer Arznei innewohnende Arzneikraft entfaltet, muss sich das in verschiedenen Prüfern immer auf gleiche Weise manifestieren und dort die immer gleichen Arzneiwirkungen erregen. Und genau das zeigt sich in einer AMP: Jedes Mittel ist offensichtlich dazu in der Lage, in mehreren Prüfern ein immer gleiches Beschwerdemuster zu erzeugen, mit der entsprechend gleich lautenden ZK. Dabei produziert jede Arznei ganz eigene andere Häufungen von ZK als ein anderes Mittel.

Genau diese Fähigkeit, in unterschiedlichen Prüfern wiederholt und zuverlässig die gleichen Zeichenkombinationen hervorzubringen, zeigt die individuelle Arzneikraft, die Hahnemann als die charakteristische Arzneiwirkung bezeichnete.

Deutliche Erhöhung der Verschreibungssicherheit

Die Aufgabe eines Homöopathen ist es daher, die wichtigsten, also die charakteristischen Symptome des Patienten, in die Sprache der Arzneiwirkungen zu zerlegen. Daraufhin werden, wie in dem Beispiel des Magenstechens, die in diesem Fall aufgelisteten drei ZK gebildet. Dann wird die gesamte Materia Medica mit Hilfe des SL daraufhin untersucht, welche Mittel diese drei ZK gehäuft erzeugt hatten.

Das SL ist das einzige homöopathische Werkzeug, mit dem sich die insgesamt sechs möglichen Arzneiwirkungen für jede Arznei mit wenigen Mausklicks ermitteln lassen. So wird einfach und schnell die charakteristische Wirkung eines Mittels bestimmt und als Simile für die Heilung der Patienten verwendet. Die große Stärke des SL zeigt sich in einer deutlich erhöhten Verschreibungssicherheit, die sich täglich in der eigenen Praxis beobachten lässt.

Durch die sechs Möglichkeiten, Zeichen miteinander zu kombinieren, trat zu Beginn der SL-Forschung etwas Erstaunliches zutage, nämlich dass die verwendeten Arzneien ein wesentlich größeres Wirkspektrum besitzen, als dies bisher bekannt war. Dementsprechend erhöhen sich auch die Anwendungsmöglichkeiten der einzelnen Mittel um ein Vielfaches.

Voraussetzung für eine sichere Arzneiwahl – und damit eine erfolgreiche homöopathische Praxis – ist neben dem digitalen Werkzeug jedoch auch die korrekte Anwendung des Symptomenlexikons nach klaren, deutlich einsehbaren Regeln, wie sie von Michael Kohl in den vier Ausbildungsmodulen seiner Seminarreihe SL I – IV gelehrt wird.