Interview mit Michael Kohl am 16.02.2013 und 18.03.2013

Sunya Bergunde, Homöopathische Heilpraktikerin aus Hamburg
praxis@sunyabergunde.de

Seit wann arbeitest Du als Homöopath?

Seit April 1984 in eigener Praxis.

Du hast ja mit vielen Strömungen der Homöopathie in Deiner Praxis gearbeitet, bevor du vor ca. 9 Jahren bei der ursprünglichen, als „genuine Homöopathie“ bezeichneten Richtung angelangt bist. Wie kam es dazu?

Hahnemanns Aussage von einer Medizin, die schnell, sanft und dauerhaft heilen kann, hatte mich von Anfang an begeistert. Insbesondere, dass die Heilung nach deutlich einzusehenden Gründen erfolgen soll.

In den ersten 20 Jahren als Homöopath wollte sich dieses Versprechen allerdings nie so richtig einstellen. Ich studierte die unterschiedlichsten Richtungen mit Eifer aber – aus heutiger Sicht – mäßigem Heilerfolg. Mir fiel auf, dass sich dabei die einzelnen Schulen untereinander nur zu oft widersprachen. Aber wie kann das sein, wenn es sich doch auf der anderen Seite um ein einheitliches, in sich schlüssiges Heilkonzept handeln sollte? Ich fragte mich: wie kann ich mich an schwere Krankheiten wagen, wenn ich nicht genau weiß, was die einzelnen Arzneien überhaupt bewirken bzw. wenn jede Lehrmeinung etwas anderes über sie berichtet?

Die in Homöopathenkreisen weit verbreitete Ansicht: „Der Fall gibt die Methode vor“ machte die Not nur noch größer. Jede Fehlverschreibung konnte nun ja auch noch bedeuten, dass man möglicherweise sogar die falsche Methode verwendet hat. Der Beliebigkeit und Austauschbarkeit war damit Tür und Tor geöffnet. Für jeden Fall hatte ich nun die Qual der Wahl. Je nach unterschiedlichem Blickwinkel konnte ich mich bei ein und demselben Patienten immer für mehrere Ansätze entscheiden. Frustriert von all diesen modernen Strömungen, die mich von meinem eigentlichen Ziel immer weiter entfernten, wandte ich mich nun vor ca. 13 Jahren der sogenannten „genuinen Homöopathie“ zu. Darunter versteht man im Wesentlichen die Homöopathie wie sie, in enger Anlehnung an Hahnemann, von dessen engsten Schülern und Weggefährten praktiziert und gelehrt wurde. Namhafte Vertreter sind Bönninghausen, Jahr, Lippe, Boger und Hering.

Beim Studium dieser alten Meister bemerkte ich erst, wie sehr sich ihre Lehren unterschieden von all dem, was ich bisher gelernt hatte. Vieles war dabei von Kent verändert worden. Dieser hatte, beeinflusst von Swedenborg, einem schwedischen Naturphilosophen des 18. Jahrhunderts, die Homöopathie in eine ganz andere Richtung gelenkt. Vieles von dem was ich bisher als gesicherte Erkenntnis Hahnemanns gehalten hatte, entpuppte sich nun als philosophische Spekulation, die einen ganz anderen Hintergrund hatte.

Bei dem Studium der alten Meister merkte ich schnell, dass meine Verschreibungen wieder Hand und Fuß bekamen. Das Spekulative hatte keinen Platz mehr und meine Verordnungen basierten nun wieder mehr auf den Prüfungssymptomen der Arzneimittel und den Heilerfahrungen dieser genuinen Homöopathen.

Wie bist Du dann an das SL geraten?

Anfang 2005 machte mich Stefan Reis auf das Symptomenlexikon aufmerksam, dass kurz zuvor in Buchform erschienen war. Ich war schnell fasziniert von der Idee, ausschließlich auf Basis der Arzneimittelprüfungen zu verschreiben. Ohne die Verwendung herkömmlicher Repertorien, die voller Fehlerquellen sind.

Kannst Du in wenigen Sätzen erläutern, worum es sich beim Symptomenlexikon überhaupt handelt?

Das Symptomen-Lexikon geht auf eine Idee Hahnemanns sowie auf einige Anregungen Herings zurück. Bereits Hahnemann hatte mit einem von ihm selbst handschriftlich angefertigten Symptomen-Lexikon gearbeitet, das aber nicht veröffentlicht werden konnte, da es unvollständig war. Deswegen beauftragte er seinen Mitarbeiter G.H.G. Jahr, es komplett auszuarbeiten. Dieser erkannte jedoch, dass mit den damaligen technischen Möglichkeiten solch ein Projekt nicht zu schaffen sei.

Das gelang mit Hilfe moderner elektronischer Datenverarbeitung erst Uwe Plate, einem homöopathischen Heilpraktiker, der dieses Werk Ende 2004 veröffentlichte. Zu Beginn als Buch, mittlerweile liegt es als Computer-Programm „Symptomen-Lexikon-Digital“ vor. Grundlage hierfür sind die Erkenntnisse von Hahnemann, seinen engsten Schülern und Mitarbeitern wie Jahr, von Bönninghausen und Hering.

Bei dem Symptomen-Lexikon handelt es sich um ein Werkzeug, mit dem man in einer bisher nicht gekannten Sicherheit sämtliche nur mögliche charakteristische Arzneiwirkungen unserer Materia medica erforschen kann.

Es ist ja schon viel über die sogenannte „charakteristische Wirkung einer Arznei“ geschrieben worden. Was verstehst Du denn unter diesem Begriff?

Die charakteristische Wirkung einer Arznei besteht in ihrer Fähigkeit in einer Anzahl von Prüfern ganz bestimmte krankheitsähnliche Beschwerden zu erzeugen. Diese sind unverwechselbar – eben charakteristisch – mit dieser Arznei verbunden. Dabei hat jedes homöopathische Mittel andere Beschwerdebilder, die es den Prüfern aufzuzwingen in der Lage ist. Nach dem Simile – Gesetz kann eine Arznei dann und nur dann eine Krankheit bei einem Patienten heilen, wenn ihre charakteristische Wirkung den Beschwerden des Patienten sehr ähnlich ist. Unsere gesamte Heilkunst steht und fällt also mit unserer Fähigkeit diese charakteristische Wirkung sicher zu ermitteln.

Wie ermittelst Du nun die charakteristische Wirkung mit dem Symptomen-Lexikon?

Die charakteristische Wirkung einer Arznei müsste – wenn sie in der Arznei unverwechselbar verankert ist – eigentlich in jedem Prüfer die gleiche Wirkung erzeugen. Und so ist es auch, aber anders, als ich mir das früher dachte und anders als ich es gelernt hatte. Die charakteristische Wirkung einer Arznei erzeugt niemals vollständige Symptome! Wenn von einem Mittel immer komplette Symptome erzeugt würden, dann würden ja alle Prüfer unter den gleichen Symptomen leiden und die Protokolle aus den Arzneimittelprüfungen wären voller gleich lautender Symptome. So ist es jedoch nicht! Satzwiederholungen in diesem Sinne finden sich nicht, das lässt sich leicht durch einen Blick in die Materia Medica überprüfen. Hahnemann und seinen Anhängern war dies alles durchaus bekannt. Sie bezeichneten eine Homöopathie die versucht ganze Symptome des Patienten mit vollständigen Symptomen aus den Prüfungsprotokollen abzudecken, abfällig als Symptomendeckerei. Es ist einer der großen Irrtümer der heutigen klassischen Homöopathie, an diesem Fehler festzuhalten.

Worin besteht nun aber die charakteristische und unverwechselbare Wirkung einer Arznei? Dazu muß ich etwas ausholen: Ein vollständiges Symptom besteht aus verschiedenen Bausteinen. Diese nennen wir in Erinnerung an ihre frühere Bezeichnung „Zeichen“. Ein Symptom das zB. lautet: „Drücken im Kopf beim Bücken“ bestände somit aus drei Zeichen:

Drückende Schmerzen…so lautet die Beschwerde
Bücken verschlimmert…so lautet die Modalität
Im Kopf findet die Beschwerde statt…so lautet also der Ort

Die charakteristische Wirkung einer Arznei besteht nun in sogenannten „Zeichenkombinationen“. Sie bestehen immer aus zwei dieser Zeichen. Ein Zeichen wird somit immer durch ein Weiteres näher bestimmt.

Für unser gerade erwähntes Beispiel ergeben sich drei mögliche Zeichenkombinationen ( kurz ZKs genannt), nämlich:

Drücken im Kopf ( Beschwerde + Ort)
Drücken beim Bücken ( Beschwerde + Modalität)
Kopfschmerzen beim Bücken ( Ort + Modalität)

Wenn man auf diese Weise die Arzneiprüfungen studiert, ob irgendwelche ZKs gehäuft auftreten (Häufung deshalb, weil sich die Arzneikraft ja den verschiedensten Prüfern in der immer gleichen Weise aufdrängt), dann zeigt sich Erstaunliches: Jedes Mittel ist offensichtlich in der Lage, mehreren Prüfern ein immer gleich lautendes „Muster“ aufzuzwingen, nämlich gleich lautende ZKs. Jedes Mittel produziert jeweils für sich aber ganz andere Häufungen an ZKs als ein anderes Mittel. Genau diese Kraft, in den unterschiedlichsten Prüfern immer wieder die gleichen ZKs zu erzeugen, dies ist die charakteristische Arzneiwirkung, wie es Hahnemann im Organon im § 153 ausführt.

Kannst Du das an einem praktischen Beispiel verdeutlichen?

Angenommen wir haben einen Patienten mit einer heftigen Sinusitis, dessen Hauptbeschwerde in dem Symptom „Drückende Kopfschmerzen beim Bücken“ besteht, dann müssen wir nicht etwa ein gleichlautendes Prüfungssymptom finden. Dies würden wir bei keiner Arznei gehäuft finden! So sehen die Arzneiprüfungsprotokolle einfach nicht aus. Wer es nicht glauben mag, braucht sich nur einfach die Symptomenreihe einiger Mittel durchzulesen.

Statt dessen untersuchen wir die Materia Medica danach, welche Arzneien die in diesem Symptom enthaltenen ZKs charakteristisch in ihrer Arzneiwirkung beinhalten. Dies geht mitlerweile mit dem digitalen SL ganz einfach per Mausklick. Wir sehen auf einem Analysebogen sofort, welche Mittel nur in Frage kommen können. Dies sind die Arzneien, die jede dieser ZKs häufig in den Arzneimittelprüfungen erzeugt haben. Wir nennen dies den Arzneimittelpool. In diesem steckt definitiv das Simile. Jetzt gleichen wir noch weitere Zeichenkombinationen die der Patient hat, mit dem SL ab und erhalten am Ende ein Mittel, dass in seiner chrakteristischen Wirkung die meiste Übereinstimmung zu unserem Patienten hat. Dieses Mittel ist ihm am ähnlichsten, also ist es das Simile!

Warum ist das SL aus deiner heutigen Sicht das effektivste/ sicherste Werkzeug um Patienten homöopathisch zu behandeln?

Das SL ist das einzige homöopathische Werkzeug, mit dem jegliche Arzneiwirkung per Mausklick sofort in seiner Häufigkeit des Auftretens zu ermitteln geht. So können wir einfach und schnell die charakteristische Arzneiwirkung bestimmen und für die Heilung unserer Patienten anwenden. Die große Stärke des SLs zeigt sich somit in einer deutlich erhöhten Verschreibungssicherheit. Denn: Je sicherer man die genaue Arzneiwirkung kennt, umso sicherer wird der Heilerfolg. Erst diese neuartige Kombinierbarkeit sämtlicher Zeichen der Materia medica ermöglicht eine genaue und sichere Verordnung des Similes.

Mit dem Symptomenlexikon haben wir jetzt erstmals in der Geschichte der Homöopathie die Möglichkeit sämtliche Zeichenkombinationen systematisch zu erfassen. Dazu sagt Jahr im Vorwort zu seinem Repertorium (Symptomenkodex): „Wahr ist freilich, daß wir in der That nicht eher zu einer, auf ihre eigenen Principien gegründeten Arzneiwissenschaft kommen werden, als bis wir die bekannten Wirkungen unserer Mittel nach allen Richtungen hin in ihren Analogien und Widersprüchen werden kennengelernt haben und daß hierzu ein Werk nothwendig ist, welches, wie das eben besprochene 48-bändige (gemeint ist hier Jahrs Entwurf eines Symptomen- Lexikons, das nach seiner damaligen Berechnung 48 Bände umfassen würde), uns die Symptome in der That nach allen Richtungen hin unter jeder nur erdenklichen Haupt- und Unterordnung in Extenso wiederholt, ist auch nicht zu leugnen…Alle unsere Repertorien sind bis jetzt nur Übergangsformen, und können vor der Hand nichts anderes sein.“

Daraus ergibt sich, dass unser bisheriges Wissen der Arzneimittelwirkungen in Bezug auf die Zeichenkombinationen nur bruchstückhaft war. Das hat sich seit dem Erscheinen des Symptomenlexikons komplett verändert! Jetzt endlich können wir sämtliche überhaupt nur möglichen charakteristische Arzneiwirkungen unserer MM systematisch und vollständig erforschen.

Hast du denn jetzt mehr erfolgreiche Verschreibungen, als mit den anderen Methoden? Bzw. klar ausgedrückt: kannst du jetzt mehr Patienten helfen?

Selbstverständlich! Mit dem SL kann man das Similegesetz endlich systematisch und unverfälscht anwenden. Und das geht nicht nur mir so, sondern auch allen anderen Kollegen die das SL richtig anwenden können.

Worauf sollte der mit dem SL arbeitende Homöopath besonders achten in Bezug auf Anamnese, Folgeverschreibung und Fallverlaufsbeurteilung?

Bei der Anamnese ist das Wichtigste, das Leiden des Patienten wirklich zu verstehen. Viele Kollegen verschreiben dagegen auf Basis von Charaktereigenschaften. Das hat jedoch nichts mit der Erkrankung zu tun. Natürlich kommt es auch darauf an die persönliche Lebenssituation zu erkunden, das Umfeld etc. Darauf weist ja bereits Hahnemann im Organon in den §5 und §208 hin. All diese Momente gilt es zu berücksichtigen, aber nur insofern, als das wir uns überlegen müssen, ob diese die homöopathische Behandlung möglicherweise als krankheitsunterhaltende Ursachen behindern könnten. In solchen Fällen ist vielleicht noch eine weitere Therapieform hinzuzuziehen; zB. Osteopathie, ein Diätplan, eine Paartherapie, medizinisches Muskeltraining etc. Aber wozu diese Aspekte aus dem Leben des Patienten auf keinen Fall taugen, ist daraus ein Simile bestimmen zu wollen!

Treten Gemütssymptome bei einem Migräneanfall hinzu, wie z.B. Traurigkeit oder Verzweiflung, ist es wichtig zu verstehen ob die Patientin traurig ist, weil sie wieder diese schlimmen Migräneschmerzen ertragen muss oder ob die Traurigkeit als begleitende Beschwerde dazu tritt. Ist die Patientin traurig und verzweifelt aufgrund ihrer erneuten Schmerzattacke, so wie wir das bei sehr vielen Schmerzpatienten erleben, so ist dies ein reflektorisches Gemütssymptom, eine Art Folgesymptom der nicht aufhörenden Schmerzen und in Bezug auf die Arzneimittelauswahl nicht zu gebrauchen! Es ist doch klar, dass eine Patientin, die erfolglos von einem Therapeuten zum anderen läuft, irgendwann die Hoffnung verliert, dass ihr jemals noch geholfen werden kann. Diese Traurigkeit wird mit dem Verschwinden der Migräne sich notwendigerweise ebenfalls verlieren.

Gemütssymptome verwenden wir also nur dann, wenn sie primär die Erkrankung bestimmen, beziehungsweise wenn sie die Hauptbeschwerde darstellen, wie das bei den Geistes- und Gemütskrankheiten der Fall ist.

Zum Charakter möchte ich noch sagen, dass jede Persönlichkeit doch aus viel mehr Facetten besteht als man in einer zweistündigen Anamnese erkunden kann. Heute zeigt der Patient mir diese Facette und morgen vielleicht eine ganz andere. In einer entspannten Situation zeigt er wieder einen anderen Aspekt als in einer stressigen oder traurigen oder, oder, oder. Wie kann ich als Behandler bewerten welche davon die Wichtigste ist ohne in Interpretation zu verfallen? Wahlhinweisende Gemütssymptome sind für mich bloß diejenigen, die sich während der Krankheit zeigen ohne reflektorische Gemütssymptome zu sein.

Zur Folgeverschreibung: Was Hahnemann und seinen Anhängern eine Selbstverständlichkeit war, nämlich dass eine schwere chronische Krankheit mehrere Anitpsorica benötigt, bis sie ausgeheilt ist, dies ist heutzutage weitgehenst in Vergessenheit geraten. Heute gibt es eine Sehnsucht nach immer neuen Mitteln, geboren aus der Hoffung nach dem einen großen Similimum, das wie durch ein Wunder sämtliche Beschwerden und Lebensprobleme des Patienten ein für allemal beseitigt. Ich kann mich diesem verzweifeltem Bemühen nicht mehr anschließen bzw. bin diesem Irrweg selber viel zu lange hinterhergelaufen. Ich komme mit den 125 Arzneien aus der RAML sehr gut aus. Zumal diese ja ein viel größeres Wirkspektrun besitzen, als man 200 Jahre lang dachte.

Zur Fallverlaufsbeurteilung: Die Hauptbeschwerden des Patienten müssen sich nach Gabe des Similes bessern. Gemütsaufhellung und Zunahme der Vitalität sind auch oft zu beobachten. Werden jedoch die Hauptbeschwerden nicht besser, so muss das Mittel gewechselt werden.

Kann man als Anfänger denn mit dem SL genauso erfolgreich arbeiten wie ein erfahrener Homöopath?

Das hängt davon ab, wie sehr man sich auf das SL einläßt. Normalerweise läuft es so:

Der Anfänger der nur mit dem SL arbeitet, wird mit der Zeit merken, dass es immer besser läuft. Je mehr er das SL anwendet und Routine bekommt, desto höher wird die Verschreibungssicherheit. Der Anfänger hat den Vorteil, das er nicht umdenken muss, so wie jemand der vorher nach z.B. Vithoulkas, Sankaran oder Kent gearbeitet hat.

Der bereits erfahrene Homöopath der mit dem SL arbeiten möchte, aber auf sein gewohntes bisheriges Therapiekonzept nicht verzichten will, wird notwendigerweise eine Mischung aus Altem und Neuem für sich erschaffen. Aus etlichen Gesprächen mit solchen Kollegen erfuhr ich, dass sich in diesen Praxen die Verschreibungs-sicherheit nicht wesentlich erhöht. Wer nämlich mit dem SL nach Charakter-symptomen, Wahnideen, Causa etc. wählen will, muss zwangsläufig auch mit dem SL scheitern. Die Homöopathen vertrauen heute allen möglichen Gurus, aber unerklärlicherweise nicht dem Begründer der Homöopathie Samuel Hahnemann. Aber wer mit dem SL arbeiten will, muss auch nach den Lehren Hahnemanns arbeiten, sonst funktioniert es nicht.

In diesem Fall schlage ich den Kollegen immer wieder gern vor, dass sie einmal 10% ihrer Fälle ausschließlich mit dem SL bearbeiten um selbst zu sehen, mit welcher Methode sie langfristig erfolgreicher therapieren. In diesem Fall werden sie viel leichter die Überlegenheit des SLs bemerken.

Der erfahrene Homöopath, der absolut überzeugt vom Symptomenlexikon ist und nur noch damit arbeitet, arbeitet ausgesprochen erfolgreich und erhöht seine Verschreibungssicherheit deutlich.

Welchen wichtigen Tipp würdest du einem Anfänger mit auf den Weg geben?

Zu einem SL 1 Kurs zu gehen.Dieser ist für all diejenigen gedacht, die mehr über diese Therapieform erfahren möchten. Hier werden die Grundsätze der Homöopathie Hahnemanns erklärt. Was ist ein echtes Prüfungssymptom, was eine Heilwirkung, was ist von dem sogenannten Erfahrungsschatz aus 200 Jahren Homöopathie-geschichte zu halten und viele andere Themen. Hier lernt man von Anfang an, dass man sich auch kritisch mit der Homöopathie auseinandersetzen muss. Nichts ist wichtiger als sich eine eigene Meinung zu bilden, wie schon Hahnemann sagte: Aude sapere!

Unter Homöopathen herrscht vielfach die Meinung, dass die Arbeit mit dem Symptomenlexikon zu zeitaufwendig wäre. Kannst du dazu etwas sagen?

Erstens: Wie mit jedem neuen Werkzeug, wird der Zeitaufwand geringer, je geübter man ist.

Man kommt viel häufiger gleich bei der ersten Verschreibung aufs Simile und spart damit viel Zeit statt durch immer neue Versuche das Simile zu suchen. Ich selbst kann davon ein Lied singen![lacht]

Zweitens: Die Anamnesen sind kürzer und prägnanter.

Drittens: Mit der 3.0 Version ist die Zeitersparnis durch die neue Repertorisations-funktion enorm.

Viertens: Die Zeit die es braucht um das Leiden des Patienten wirklich tief zu verstehen, um es anschließend gut mit einem Simile abbilden zu können, diese Anamnesezeit sollte uns der Patient wert sein. Aber das ist nicht das Problem des Symptomenlexikons, denn da geht es nur um die Similebestimmung. Andererseits entfällt viel Zeitaufwand, den ich früher mit fruchtlosen Erkundungen der Ich – nahen Symptome und der vermeintlich nötigen Charaktereruierung verbracht hatte.

Und zu guter Letzt: Nichts ist für einen Homöopathen befriedigender als ein Praxistag, in dem er in der ganz überwiegenden Zahl der Follow-ups erfährt, dass seine Verschreibungen richtig waren.

Wie viele Patienten behandelst Du in Deiner Praxis im Durchschnitt am Tag?

An einem zehn Stunden Tag mache ich ca. 20-25 Follow-ups. Eine Erstanamnese dauert bei mir meist 1-1,5 Stunden, bei sehr schweren Pathologien auch mal länger.

Du machst seit einigen Jahren für Homöopathen und angehende Homöopathen SL-Seminare in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Wie erlebst du die Resonanz?

Das ist sehr interessant und immer wieder spannend für mich. Bei einem SL1 Seminar sind alle Teilnehmer sehr unterschiedlich vorgebildet, kommen also aus den unterschiedlichsten Richtungen der Homöopathie, Ärzte wie Heilpraktiker, Apotheker oder auch Tierärzte. Am Ende von SL 4 sind dann alle auf einem ähnlich guten Level. Im Lauf der Ausbildung lernen die Teilnehmer das selbständige Ausarbeiten eines Falls mit dem SL. Im Vorfeld des 2. – 4. Teils der Ausbildung, werden Wochen vor dem Seminarbeginn Fälle zugeschickt, die zu Hause allein gelöst werden sollen. Im Seminar werden sie dann gemeinsam diskutiert. Dabei kann man dann das Mittel, welches man für das am besten Passende hält, in einer Art „Plädoyer“ vorstellen und begründen.

Bei diesen Plädoyers für ein Mittel kommen oft lauter ähnlich gute, sehr oft richtige Vorschläge und das angesichts dessen, dass die Teilnehmer doch erst noch vor wenigen Monaten aus den verschiedesten Homöopathierichtungen kamen. Das begeistert mich selber immer am meisten und bestätigt mich in meiner Erkenntnis: Die SL- Homöopathie ist lehr- und lernbar!!! Denn sie basiert auf „deutlich einzusehenden Gründen“, wie Hahnemann das nannte.

Wie überall gibt es auch hier einerseits zögerliche Teilnehmer, die etwas länger brauchen um sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Dann aber, wenn sie merken, dass sie endlich bei einer wirklich praktikablen Therapie angekommen sind, dann drehen sie oft auf und machen sehr begeistert mit. Dann gibt es die anderen Kollegen die es gleich von Beginn an wissen wollen. Leute die kritisch hinterfragen und eben nicht alles hinnehmen was vorne gesagt wird. Letzlich landen beide Gruppen bei Hahnemanns Leitspruch: „Aude sapere“ („Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ ) Das gefällt mir besonders gut und das ist auch das, was ich mir in meinen Seminaren wünsche.

Wenn man keinen Computer hat oder keinen benutzen will, kann man dann trotzdem mit dem SL arbeiten?

Nein. Die erste Buchauflage ist längst vergriffen. Die digitale Form des SLs ist unendlich praktischer und nach einer kurzen Einübungszeit sehr leicht zu bedienen. Selbst für jemanden wie mich, der sich mit Computern nicht gerade gut auskennt.

Wie gut funktioniert die Behandlung von
• schweren Erkrankungen
• Geistes- und Gemütserkrankungen
• Kindern/ Babies mit dem SL?

Dazu kann ich nur sagen, dass das Similiegesetz bei allen Pathologien und allen Arten von Patienten wirkt. Einzige Einschränkung sind die symptomenarmen Fälle, die Hahnemann „Einseitige Krankheiten“ nannte, hier hat allerding jeder Homöopath seine Schwierigkeiten, sowie die Patienten, deren Lebenskraft am Ende ist.

In einem Satz, warum sollten Homöopathen mit dem SL arbeiten?

Wie ich es schon erwähnt habe, weil es die einzige Möglichkeit darstellt, das Similegesetz systematisch und unverfälscht anzuwenden.

Michael Kohl: Zu guter Letzt eine Frage an meine Interviewerin. Du arbeitest jetzt seit ca. 1,5 Jahren selbst mit dem SL. Was sind denn Deine Erfahrungen?

Ich war von Beginn an sehr begeistert vom SL. Ich habe im SL1 Seminar sehr viele Aha – Effekte erlebt und konnte es kaum abwarten endlich damit richtig arbeiten zu können.
In meiner Praxis erlebe ich nun sehr oft, dass das mit dem SLD herausgesuchte Mittel schnell und nachhaltig hilft.
Bei alten Menschen, die ja als schwierig zu behandeln gelten, ist die Verschreibungssicherheit genauso hoch und ich habe schon erlebt, dass ein Schwindel der jahrzentelang bestand nach 5 Gaben Q3 verschwunden war und die Patientin keine herkömmlichen Medikamente mehr dafür brauchte.
Wenn ein Mittel mal nicht wirkt, ich aber keine Fehler in der Analyse entdecken kann, dann ist es oft das zweite Mittel das schnelle Hilfe bringt. Was mich direkt darauf bringt, das man seine Verschreibungen mit dem SLD optimal nachvollziehen kann und Fehler oder Irrtümer somit leicht zu entdecken sind.
Bei den Anamnesen fühle ich mich sehr gut und klar. Ich habe keine Angst bei psychologischen Themen in Interpretation zu verfallen, da ich ja nur die offensichtlichen, jetzt bestehenden Geistes- und Gemütssymptome für meine Verschreibungen in Betracht ziehe. Das lässt mich die Rolle des „unvoreingenommenen Beobachters“ leicht einnehmen.
Das alles zusammen gibt mir ein schönes Gefühl der Sicherheit und immer wieder die Gewissheit mit der richtigen Methode zu arbeiten.